Im zweiten Teil der Serie “Wie Du Deine schlechten Gewohnheiten los wirst” geht es heute um den ersten konkreten Fall, nämlich dem Fingernägel kauen (Onychophagie). Wollt ihr zu einem bestimmten Verhalten eine Lösung haben? Dann schreibt mir eine E-Mail oder kommentiert ganz unten den Beitrag. Jeden Donnerstag um 11 Uhr werde ich einen neuen Tipp auf meinem Blog veröffentlichen.
Kim (Name geändert) hat den letzten Beitrag genutzt und mir eine E-Mail geschrieben.
Lieber Nick, seit meinem 5. Lebensjahr kaue ich bereits an den Fingernägeln und schäme mich sehr dafür. Ich bin jetzt 16 Jahre alt und kann einfach nicht damit aufhören. Da ich ein ruhiger, schüchterner Mensch bin und nicht so gerne mit anderen Menschen über mein Problem spreche, habe ich Dich angeschrieben. Hast Du einen Tipp, wie ich damit aufhören kann?
Fingernägel kauen, also die Onychophagie, ist ein Problem von dem häufig Kinder und Jugendliche betroffen sind, die ungelösten Konflikten ausgesetzt sind oder unter hoher Anspannung stehen. Das Fingernägel kauen ist dann eine Art Ventil, um den Stress abzubauen.
Wenn das Fingernägel kauen anhält, ist es meist eine antrainierte Gewohnheit, die man gut abstellen kann. Das braucht aber etwas Zeit und Geduld.
Bei allen Verhaltensänderungen gilt, dass man erst einmal aufmerksam auf sein Verhalten werden muss. Denn meist haben sich die Verhaltensweisen so stark eingeprägt, dass wir überhaupt nicht merken, dass wir sie machen. Oder wisst ihr genau, mit welchem Fuss ihr heute morgen aufgestanden seid oder mit welcher Hand ihr zur Zahnbürste gegriffen habt?
So ähnlich ist es auch beim Fingernagel kauen. Das Nägelkauen ist ein so automatischer Prozess, dass man ihn überhaupt nicht mehr merkt. Da gilt es anzusetzen, um den ersten Schritt zur Verhaltensänderung umzusetzen.
1) Mach Dir bewusst, wann Du Fingernägel kaust
Nimm Dir vor zu bemerken, wenn Du an den Fingernägeln kaust und was ggf. der Auslöser gewesen sein kann. Du wirst schnell merken, dass Dein Gehirn plötzlich aufmerksamer gegenüber dem Fingernägel kauen ist und Du es so häufiger bemerkst. Sollte das bei Dir nicht funktionieren, kannst Du Dir auch an ausgewählten Orten ein Post-It oder Notiz aufhängen. Das kann auch eine regelmäßiger Termin im Smartphone sein, der Dich regelmäßig daran erinnert, aufmerksamer zu sein.
2) Schreibe Dir auf, in welcher Situation bzw. was der Auslöser ist
Wenn Du wieder bemerkst, dass Du an den Fingernägeln kaust, dann schreib Dir sofort auf, was Du tust und wie Du Dich fühlst. Was kann der Auslöser gewesen sein? Du kannst ein Tagebuch führen oder Dein Handy dafür nutzen. Was auch immer für Dich am besten ist. Mach das für ungefähr 1–2 Wochen.
3) Überprüfe Deine Aufzeichnungen
Wenn Du Dich mehrfach dabei ertappt hast, wie Du an den Fingernägeln kaust und es aufgeschrieben hast, dann schaue Dir Deine Aufzeichnungen genau an. Wann ist es aufgetreten? Wie hast Du Dich jedes mal gefühlt? Was kann der Auslöser gewesen sein? Um so genauer Du ein Bild vom Auslöser hast, umso eher kannst Du eine Strategie entwickeln, wie Du den Auslöser austricksen kannst.
4) Beeinflusse den Auslöser
Wenn Du den oder die Auslöser identifiziert hast, dann ist es Zeit den nächsten Schritt zu gehen. Antrainiertes Verhalten ist, wie ich ja im letzten Beitrag geschrieben habe, ein immer gleich ablaufender Prozess. Der Auslöser triggert das Verlangen, dass wiederum eine Reaktion auslöst, die das Verlangen befriedigt, also Dich belohnt.
Hier geht es jetzt darum, den Auslöser gezielt dazu zu verwenden, das Verlangen zu ändern. Wenn Du z.B. immer dann Fingernägel kaust, wenn Du an der Bushaltestelle auf dem Bus wartest, dann kannst Du das bewusst für Dich nutzen.
Bei mir ist es zum Beispiel so, dass ich, wenn ich an einer bestimmten Ampel auf der Heimfahrt anhalten musste, immer auf das Handy geschaut habe, ob ich eine E-Mail oder WhatsApp bekommen habe. Da das im Auto natürlich nicht immer so 100% richtig ist, wollte ich mir das Verhalten abtrainieren.
Wichtig war, erst einmal das Verhalten zu bemerken. Jetzt, wo ich wusste, wann und warum das passierte, konnte ich mir ein bewusstes Ablenkungsmanöver einfallen lassen, um nicht mehr auf das Handy zu schauen. Ich habe mir bewusst vorgenommen, wenn ich an der Ampel anhalten muss, vom Navi auf das Radio zu wechseln und evtl. einen anderen Sender einzustellen. Nach einiger Zeit musste ich das nicht mehr machen, da das Verlangen nach dem Handy zu greifen nicht mehr da war und ich jetzt ganz normal an der Ampel halte und einfach nur warte. Manchmal überkommt mich noch das Verlangen, aber da ich darauf aufmerksam werde, kann ich sofort gegensteuern.
So kannst Du das auch bei dem Beispiel mit dem Fingernägel kauen machen. Wenn Du beim nächsten mal also an der Bushaltestelle auf den Bus warten musst, kannst Du bewusst ein Bonbon lutschen oder ein Kaugummi kauen. Oder Du greifst Dir das Handy und zockst eine Runde Candy Crush oder was auch immer.
So kannst Du Dir für jeden Auslöser eine Ersatztätigkeit überlegen, die Du machst, wenn der Auslöser wieder eintritt. Schon nach einigen Tagen wirst Du merken, dass Du immer weniger an den Fingernägeln kaust und das Verlangen danach immer weiter nachlässt. Wie bei mir mit dem Handy, geht es vielleicht nie weg. Aber Du wirst es sofort erkennen und kannst wieder bewusst Deine Ersatzhandlung durchführen.
Wenn Du diese Schritte mit Geduld und Hartnäckigkeit verfolgst, wirst Du schon in wenigen Wochen mit dem Fingernägel kauen aufgehört haben.
Viel Erfolg und UNSCREW YOUR LIFE!
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